Wenn man auf die Geschichte der schwedischen Gastronomie schaut, wird schnell deutlich: Das Trinken war genauso wichtig wie das Essen. Die Gaststätte war der Ort, an dem sich die Menschen einen Rausch antranken; nicht jeder hatte Zugang zu Alkohol zu Hause. Der Umgang mit Alkohol ist ein wichtiger Teil der schwedischen Geschichte. Dies wird besonders deutlich in Begriffen wie ölkafé (Bier-Café), brännvinskrog (Schnapskneipe) und vinbar (Weinbar). Der Hauptgrund ins Restaurant zu gehen, war jedoch nicht der Alkohol selbst, sondern der Wunsch nach Geselligkeit.
Besonders lange können die Schweden aber noch nicht in der Gastronomie gesellig sein: Der Begriff Restaurant stammt eigentlich aus dem 19. Jahrhundert; vorher gab es in Schweden keine Restaurants, wie wir sie heute kennen. Im 16. Jahrhundert fand sich vielerorts ein gästhus (Gasthaus), und ein Jahrhundert später spricht man von gästgiveri (Wirtshaus/Gaststätte). Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gibt es auch Cafés.
Die Geschichte der schwedischen Gastronomie ist auch eine Geschichte der Klassengesellschaft. Das Restaurantwesen in Schweden war in ungewöhnlich hohem Maße von detaillierten politischen Regelungen geprägt. Herrscher, Regierungen und Behörden wollten Restaurants und ihre Vorgänger bis in Detail regulieren. Das Restaurant war schon immer der Ort, an dem die Normen des „guten Geschmacks“ verändert und zum Ausdruck gebracht wurden. Seine kommerzielle Funktion macht es auch zu einem der ältesten Arbeitsplätze Schwedens.
Im 19. und 20. Jahrhundert gehörte die Mehrheit der Bevölkerung der Arbeiterklasse an, und diese müsse erzogen werden, so das Ansinnen der Oberschicht. Diese Erziehung beinhaltete, dass die Ideale der Sauberkeit und der Inneneinrichtung der Bourgeoisie auch in der Kneipe galten. Außerdem legten die Behörden die Öffnungszeiten fest und wann Alkohol und Essen ausgeschenkt werden durften. Alkohol musste zusammen mit Essen serviert werden.
Mit der Abstinenzbewegung entstand in der Mitte des 19. Jahrhunderts die erste systematische Regulierung von Alkoholkonsum mit der Entstehung des Vorgängers des Systembolaget (das staatliche Unternehmen, das bis heute ein Monopol auf dem Verkauf von Wein und Spirituosen hat). Das Ziel war damals wie heute, den Verkauf von Alkohol mit sozialer Verantwortung und ohne Gewinnstreben zu organisieren.
Im 18. und einem Großteil des 19. Jahrhunderts waren ländliche Kneipen gesellschaftliche Treffpunkte für die lokale Bevölkerung. Doch große strukturelle Veränderungen durch die Einführung der Eisenbahn und das Systembolaget verdrängten zunehmend diese Dorfkneipen. Noch heute gibt es große Unterschiede zwischen der städtischen und ländlichen Restaurantkultur in Schweden.
In Schweden ist der Restaurantbesuch seit jeher hauptsächlich etwas für die reichen Städter. Im internationalen Vergleich, und obwohl das Wachstum von einfachen Restaurants seit den sechziger Jahren zugenommen hat, gibt es in Schweden dennoch eine Verschiebung hin zu gehobenen Restaurants. Bis heute ist das Auswärtsessen im Restaurant ist etwas, das die meisten Schweden nicht alltäglich, sondern zu besonderen Anlässen tun.
Literaturtipp: Från Krog till Krog – svenskt uteätande under 700 år,
Jönsson & Tellström, 2018
Von Anna Hansson
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