Gastronomie: Krise oder Innovationsschub?

Corona, Inflation, Mehrwertsteuer und Fachkräftemangel: Die Gastro-Branche in Deutschland ist in der Krise. 48.000 Betriebe, das ist ungefähr jeder zehnte, gaben seit 2020 auf, Tendenz leicht steigend. Die gesamtwirtschaftlichen Umstände machen es der Gastrobranche besonders schwer. Doch Mitgliedsfirmen der Kammer zeigen, wie man trotzdem Erfolg haben kann.

„Die Gastronomie ist einer der Hauptverlierer der Krisenabfolgen der letzten Jahre“, erläutert Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform-Wirtschaftsforschung. „Das Gastgewerbe hatte sich noch nicht von der Coronakrise erholt, da kam mit der Inflation der nächste Nackenschlag“. Den gestiegenen Kosten sei die Branche ausgeliefert, die notwendigen Preiserhöhungen würden die Kundschaft verjagen. Dadurch bedingt lägen die preisbereinigten Umsätze und Erträge unter dem Stand vor der Pandemie. Laut Statistischen Bundesamt hatte der preisbereinigte Umsatz von Gastronomiebetrieben im Jahr 2023 knapp 13 Prozent niedriger gelegen als 2019.

Grundsätzlich ist das Essen außer Haus für die Deutschen aber ein wichtiger Bestandteil der deutschen Freizeitkultur. Umfragen zufolge geht jeder vierte einmal oder mehrmals pro Woche auswärts essen, die Hälfte mindestens einmal im Monat – und nur 16 Prozent speisen so gut wie nie auswärts.

 

Und in Schweden?

Hier ist es umgekehrt: Nach einer aktuellen Umfrage des Branchenverbands Visita geben nur 16 Prozent an, ein- oder mehrmals pro Woche in einem Restaurant zu essen. Während man Hausmannskost oder die gehobenere Küche tatsächlich auch vor Ort isst, nehmen die meisten Schweden Gerichte wie Pizza lieber nach Hause mit oder lassen sie bringen.

Dass die Restaurant- und Kneipenbesuche in Deutschland alltäglicher sind als in Schweden, hat vermutlich auch mit der deutschen Kultur des „Social drinking“ zu tun. Man trifft sich in einer Gaststätte auf ein Glas Bier oder Wein. In Schweden ist dies weniger verbreitet, Alkohol wird meist in moderaten Mengen konsumiert und häufig in Verbindung mit Mahlzeiten. Die schwedische Alkoholpolitik ist strenger als die deutsche, was sich in hohen Preisen und begrenzten Verkaufszeiten für alkoholische Getränke widerspiegelt.

 

„Mahlzeit!“ Abnehmende Bedeutung der Kantinen

Und was gibt es zu Mittag? Kantinen oder Personalrestaurants haben in Schweden an Bedeutung verloren. Viele Schweden bringen ihre matlåda, eine Lunchbox, von zu Hause mit, oder holen sich lieber einen Snack oder Salat außerhalb der Firma. Der soll aber möglichst auch einigermaßen gesund sein.

Lebensmittelgeschäfte wie ICA und Coop haben in der Nähe von großen Firmen einen deutlich höheren Absatz an Fertigmahlzeiten und Salaten. Genau hier begründet sich das Erfolgskonzept der schwedischen Firma Picadeli, die Salatbars unterhält. Der Däne Anders Klinge ist seit 2019 für den deutschen und dänischen Markt zuständig und konnte in Deutschland bereits über 250 Verkaufsstellen installieren. Meist stehen diese Salattheken in Supermärkten, viele etwa bei REWE. „Uns kommen einige Trends zugute“, erläutert Klinge den Erfolg. „Die Leute wollen mittags gern mal kurz vor die Tür, einmal durchschnaufen, und holen sich dann gern einen Snack. In Schweden ist das eher der Standard als die Ausnahme, das hat sicher auch mit der Fika-Pausen-Tradition zu tun.“

Und: Immer mehr wollen sich gesund ernähren. „Salat ist ja per se gesund, und wir verzichten ganz auf rotes Fleisch“, sagt Klinge. Zudem wählten viele Konsumenten die veganen Fleischalternativen – öfter in Deutschland als in Skandinavien. „Wir zeigen, dass Fast food nicht Junk food sein muß, und wir geben den Leuten Impulse, sich für gesundes Essen zu entscheiden. Und auch mit unseren recyclebaren, umweltfreundlichen Verpackungslösungen sind wir im Trend“, ergänzt der Picadeli-Geschäftsführer. Picadeli gehört zur schwedischen Greenfood-Gruppe, zwei andere Geschäftsbereiche ergänzen sich innerhalb der Gruppe und regeln den Import von Obst und Gemüse oder beliefern große Fastfoodketten.

 

KI schlägt Salat passend zur Jahreszeit vor

Für die Supermärkte und andere Verkaufsstellen stellen die Salatbars eine Kundenattraktion dar, die betriebsintern sehr effizient zu bedienen ist. Traditionelle Salatbars können 50-60 Arbeitsstunden pro Woche erfordern, während Picadelis digitalisierte Prozesse und automatisierte Bestellsysteme diese Zeit auf etwa 15 Stunden reduzieren. Darüber hinaus ermöglicht Picadelis KI-basiertes System die Analyse von Konsummustern, um sowohl Lebensmittelabfälle zu reduzieren als auch Angebote an den lokalen Geschmack anzupassen. „Unsere Verkaufsstellen erhalten KI-gestützt mehrmals die Woche Bestellvorschläge, die sich unter anderem an der Jahreszeit und an den Wetterprognosen orientieren. Denn bei schlechtem Wetter bleiben viele Konsumenten lieber im Büro oder Homeoffice, das können wir ganz gut prognostizieren“, erklärt Klinge.

 

Fika auch in Deutschland

Dem Deutschen sein Kneipenbier ist womöglich des Schweden Fika: die Kaffeepause mit süßen Backwaren, die sowohl im privaten als auch im beruflichen Umfeld zelebriert wird und den Umsatz zumindest der Take-Away-Backwaren steigert. Diese soziale Tradition findet in Deutschland kein direktes Pendant und die in Deutschland tätigen schwedischen Gastrounternehmen berufen sich in ihrer Kommunikation alle explizit auf die Fika.

Ein Unternehmen, das sich der Fika ganz verschrieben hat, ist die schwedische Kaffeehauskette Espresso House. Gegründet 1996 in Lund, hat sich Espresso House mit 500 Coffeeshops in Schweden, Norwegen, Finnland, Dänemark und Deutschland zur führenden Premium-Coffeeshop-Marke in Skandinavien entwickelt. 2017 nahm das Unternehmen Kurs auf Deutschland und übernahm die Marke Balzac Coffee. Aktuell gibt es hierzulande 46 Coffeeshops und rund 500 Mitarbeitende.

Espresso House

Seine Gäste lädt Espresso House zu einem besonderen Kaffeeerlebnis ein – angefangen mit der warmen Wohlfühlatmosphäre im nordischen Stil bis hin zum Handwerk der Baristas. Der Specialty Coffee stammt aus der eigenen Rösterei bei Stockholm. Dazu werden frisch belegte Snacks, lokale Backwaren als auch traditionelles schwedisches Gebäck wie kanelbullar aus der hauseigenen Bäckerei in Malmö serviert.

 

Coffeeshop-Kultur zum Wohlfühlen

Warum das Konzept aufgeht, weiß der deutsche Geschäftsführer Nikolas Niebuhr: „In Deutschland gibt es bisher keine Coffeeshop-Kultur, eher eine „Bäckereikultur“. Espresso House habe es sich zum Ziel gesetzt, den deutschen Kaffeetrinkern einen guten „specialty coffee“ näher zu bringen und ihnen zu erklären, wie guter Kaffee schmeckt. Denn der Geschmack ändere sich gerade in Deutschland und hochwertiger Kaffee liege im Trend.

Doch die Schwierigkeiten der Gastrobranche treffen auch Espresso House. Dem Fachkräftemangel begegnet Espresso House mit schwedischer Arbeitskultur. „Fokus auf den Mitarbeitenden, flache Hierarchien, Ehrlichkeit, wertschätzender Umgang mit den Mitarbeitenden“, nennt Niebuhr als Grundpfeiler des Unternehmens. „Dies scheint sich herum gesprochen zu haben, so dass wir unsere Shops gut besetzen können.“ Und die Expansionsreise soll weiter gehen. Im Gegensatz zu Schweden, wo Espresso House absoluter Marktführer ist, gibt es in Deutschland noch viel Potential. „Wenn es keine weiteren Krisen gibt, denke ich, dass wir in den nächsten 5 Jahren die 100 Standorte erreichen können“, ist Niebuhr zuversichtlich.

 

Duni – neues Konzept erleichtert das Handling in der Außengastronomie

„Unser Ziel ist es, das ultimative Essenserlebnis zu schaffen – für heute und für kommende Generationen“, sagt Stephanie Seidel, Marketing Director Commercial Europe. Bekannt ist Duni bei Endverbrauchern für hochwertige Servietten und Tischdekoration, das Unternehmen ist aber auch ein starker Partner der Gastronomie. So liefert Duni beispielsweise mit der Marke BioPak nachhaltige Einwegverpackungen aus schnell erneuerbaren, pflanzlichen oder recycelten beziehungsweise recyclebaren Rohstoffen für flexiblen To-Go-Genuss. „Wir sind ein marktführendes internationales Unternehmen für nachhaltige und kreislauforientierte Lösungen für Restaurants und Catering“, beschreibt Seidel Dunis Anspruch.

Die neue Sommerkollektion von Duni unterstütze Gastronomen dabei, den Außenbereich einladend in Szene zu setzen und durch einfaches Handling und durchdachtes Produktdesign die Servicezeit beim Personal zu optimieren. So beliefert Duni die Gastronomen zum Beispiel mit den Bestecktaschen Duniletto® und Sacchetto, die bereits mit Servietten bestückt sind und nur noch mit Besteck befüllt werden müssen. Bei hohem Gästeaufkommen und schnellen Tischwechsel ist diese schwedische Innovation eine maßgebliche Erleichterung für das ohnehin knappe Servicepersonal.

 

Die schwedischen Beispiele auf dem deutschen Markt zeigen: Trotz der schwierigen Umstände lässt es sich mit innovativen Konzepten und geschicktem Marketing in der Gastronomie in Deutschland sehr gut wachsen. Die schwedischen Filialisten machen es vor. So kann in der Krise wie so oft auch eine Chance liegen.

 

 

Von Peter Marx

Fotos: Duni GmbH; Espresso House Germany GmbH & Co. KG

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